Wo drückt der Schuh?
Scheinheilig!

Sehr geehrter Verbraucher.
Ihr Verhalten kann bei einem Landwirt nur noch Verwunderung auslösen. Vor nicht allzu langer Zeit wurde noch im Chor nach „Klasse statt Masse“ geschrieen, und wie schlecht und unsicher doch unsere Lebensmittel seien.

Inzwischen konnten die Lebensmitteldiscounter so ziemlich als einzige noch ein Wachstum verzeichnen. Das ist sicherlich nicht auf die dort angebotene „Klasse“ - wohl  eher auf „Masse“ zurückzuführen. Dieses Verhalten kommt der Überschrift oben bedenklich nahe.

Was wollen Sie als Verbraucher ? Anscheinend Qualität zum Nulltarif !!!
Es leuchted wohl auch Ihnen ein, dass Qualität der Erzeugung ein gewisses Mehr an Aufwendungen bedeutet, was naturgemäß zu höheren Kosten führt.
Man möchte meinen das der Rohstoff zur Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel die größte Bedeutung hat.
Betrachtet man die Preisentwicklung von Weizen, Mehl und Semmeln, kommt man zum Schluss, dass der Rohstoff Brotweizen angesichts der ihm entgegengebrachten Wertschätzung für die Qualität des Ausgangsproduktes keine Bedeutung mehr hat.

Im nachfolgenden Diagramm wurden die einzelnen Preise im Jahr 1995 gleich 100% gesetzt:

Diagramm: Vergleich der Marktpreise

Noch deutlicher wird die Tatsache, dass der Rohstoff Weizen für den Preis des Endprodukts praktisch keine Bedeutung mehr hat anhand folgender Zahlen:

Aus 100 kg Brotweizen à 12 € werden ca. 1800 Semmeln für 0,35 € gebacken.
Der Landwirt kann sich also mit dem Verkaufserlös für 100 kg Weizen gerade mal 35 Semmeln kaufen. Von den 630,- € Verkaufserlös für die Semmeln kommen beim Landwirt nur noch 12 Euro an! Dies sind ganze 1,9% !!!!

Selbst wenn der Weizen nichts kostete, würden sich die Semmeln in keinen Fall auf
34,3ct !!! verbilligen.
Allein die Inflation nimmt in einzelnen Jahren schon höhere Werte an, als der Anteil des Rohstoffes Getreide an den Semmeln.
Vor diesem Hintergrund  ist es deshalb für mich völlig unverständlich, warum  permanent versucht wird, die Getreidepreise noch weiter abzusenken.

Wir produzieren auf unserem Betrieb sogenannten „Eliteweizen“. Das ist Weizen der höchsten Qualitätsstufe, der eingesetzt wird um geringere Qualitäten aufzumischen bzw. um  Produkte wie Nudelgerichte herzustellen.

Auch hier ergibt sich ein ähnliches Bild bei den Verkaufserlösen der letzten Jahre:

Wenn größter Wert auf eine sichere, dokumentierte und überwachte Produktion gelegt wird, wie immer wieder betont wird – warum kaufen dann die Grossabnehmer Getreide in Ländern, in denen
Pflanzenschutzmittel benützt werden, die bei uns längst verboten sind (siehe Nitrofen), für die Dokumentation ein Fremdwort ist und in denen von kontrollierter Produktion nicht mal zu träumen ist ?
Ganz einfach - weil das Getreide dort noch billiger zu haben ist und die Gewinnmargen damit noch höher sind!
Frei nach dem Motto „Geld ist geil“.

Tatsache ist, dass die Kosten für die Ernährung  auf ca. 11% des Einkommens gefallen sind (Anteil der Lebensmittel am durchschnittlichen Familieneinkommen). Fakt ist auch, dass die Lebensmittel in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland am preisgünstigsten sind.

Auch dürfen Sie als Verbraucher nicht dem Irrtum erliegen, dass mit der Schaffung unzähliger Gesetze, Regeln und Vorschriften die Produktion sicherer bzw. umweltfreundlicher wird.
Es hat schon den Anschein als dass die Bürokratie eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat
und zum großen Teil nur noch Vorschriften ausarbeited, um die Daseinsberechtigung nicht zu verlieren.
Ein Beispiel aus dem Pflanzenschutzgesetz:
Um in Triticale einjährige Rispe zu bekämpfen würde es ausreichen, 1 l/ha Arelon zu spritzen.
Darin sind als Wirkstoff 500gr Isuproturon enthalten.
Dies ist aber nach dem Pflanzenschutzgesetz in Triticale nicht erlaubt - wohl aber in anderen Getreidedearten.
Es darf aber 1 l/ha Fenikan benützt werden. In diesem 1 l Fenikan sind nun wieder die 500gr Isuproturon plus 62 gr Diflufenikan enthalten.

Ich werde praktisch dazu gezwungen, unnötig mehr an Substanzen auszubringen, obwohl dies
völlig unnütz ist. Würde ich der Umwelt zuliebe trotzdem mit 1 l Arelon weniger Wirkstoff benutzen , so mache ich mich strafbar.

Nun bilden Sie sich selbst ein Urteil über den Sinn unserer Gesetze

Im gleichen Atemzug beanspruchen die dafür Verantwortlichen, aus den Aspekten Umwelt und Verbraucherschutz heraus zu gehandelt haben.

In der Hoffnung, zum Nachdenken angeregt zu haben,

Ihr Max Stürzer jun
 
 

Die Landwirtschaft im Wandel

Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren einen enormen Wandel vollziehen müssen. Die Verkaufserlöse im Marktfruchtbau liegen größtenteils auf einem Niveau von ca 1940. Um als Landwirt zu überleben, war es in den vergangenen Jahren nötig, konstant zu wachsen. Um heutzutage als Ackerbaubetrieb (das heißt ohne Viehhaltung) den notwendigen Gewinn im Vollerwerb zu erwirtschaften, ist eine Fläche von mindestens 100 ha in mittleren Lagen notwendig.

Dies bedingt zwangsweise den Einsatz von Großtechnik (Eigenmechanisierung und/oder Lohnunternehmer), ohne die es nicht möglich wäre, mit der zur Verfügung stehenden Arbeitskraft die entsprechende Fläche auch zu bewältigen.

Der durchschnittliche Gewinn je Arbeitskraft in der Landwirtschaft betrug 1998 19.230,- Euro. Wohlgemerkt bei einer Jahresarbeitszeit von durchschnittlich 2300 h gegenüber 1600 h in der Industrie. Dies bedeutet einen BRUTTO Lohn von ca 8,36 Euro/h für eine selbständige Arbeit. Eine Bewältigung des Arbeitsanfalles mit zusätzlichen Arbeitskräften anstatt leistungsfähiger Maschinen verbietet sich daher von selbst. Urteilen Sie selbst, ob Sie für diesen Lohn arbeiten würden.

Nebenbei pflegen wir auch unentgeltlich die Landschaft und unterhalten auch Wald und Feldwege. Gerade in Großstadtnähe werden diese von den Menschen gerne zum Spazierengehen und zur Erholung vom Großstadtgetümmel genutzt. Es freut uns Landwirte, dies zu sehen, da dies ein eindeutiger Beweis für unsere hervorragende Arbeit ist. Dennoch sollten Sie als Spaziergänger nicht vergessen daß diese Wege vorrangig der Bewirtschaftung dienen. Leider müssen wir in letzter Zeit beim Befahren unserer Wege - sei es mit Traktor und Maschinen oder dem Auto zur Felderbeschau - immer häufiger ein absolut unfreundliches, ja teilweise sogar feindliches Benehmen uns gegenüber feststellen. Letztendlich befahren wir diese Wege nicht, um Sie in Ihrer Ruhe zu stören, sondern um unser und letztendlich auch Ihr Brot zu verdienen. Ein Landwirt ernährt nun durchschnittlich 124 Menschen verglichen mit 17 im Jahre 1960. Aber ernähren diese 124 Menschen auch den Landwirt?

Wir beschreiten den Weg der konventionellen Landbewirtschaftung. Ich achte und respektiere die Entscheidung von Kollegen, die sich für die alternative Variante entschieden haben und erwarte diese Toleranz auch für meine Entscheidung. Letztendlich haben beide Wege ihre Berechtigung und auch Vorzüge. Das Modewort bei den Politikern ist seit der BSE-Krise "Agrarindustrie". Erstens haben wir in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen de fakto keine Agrarindustrie. Sollten damit die noch überlebensfähigen Betriebe gemeint sein, dann folgendes zum Nachdenken: Wenn die heute noch exsistierenden 500.000 Landwirte schon kaum noch vom grossen Rest des Volkes wirtschaftlich "ernährt" werden können, wie ist es dann vorstellbar, daß bei "naturnaher Witschaftsweise" oder "Ökolandbau" die dazu notwendigen 700.000 und mehr Landwirte überleben? Oder sollen wir einfach nur die billigen Sklaven der modernen Gesellschaft sein?

Zum konventionellen Weg gehört auch der sachgemäße Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz. Der verantwortungsbewußte Einsatz der Betriebsmittel ist für uns eine Verplichtung. Wenn Sie uns z.B. fünfmal mit der Spritze in einem Feld sehen, bedeutet dies nicht, daß wir besonders viel Chemie einsetzen. Vielmehr sind wir bestrebt, durch Einsätze zum optimalen Zeitpunkt mit Minimengen bei gleichem Erfolg auszukommen. Durch gewonnene Erkenntnisse aus Arbeitskreisen mit anderen Landwirten - Zusammenarbeit mit den Wasserversorgern und auch der unabhängigen Forschung- wissen wir, daß man bei richtiger Terminierung von Maßnahmen - teilweise sogar auch bestimmte Tageszeiten - drastische Einsparungen bei den Aufwandmengen mit dem gleichen Erfolg vornehmen kann. Als Beispiel: Die reguläre und auch zugelassene Aufwandmenge eines bestimmten Präparates beträgt 2,5 l/ha. Bei optimalem Timing und eventuell sogar Splitting kann diese Menge auf 1 l/ha insgesamt reduziert werden ohne Wirkungsverluste hinnehmen zu müssen. Dies hat aber den Nachteil daß ich zweimal beim Spritzen gesehen werde, obwohl ich aber nur 40% Mittelaufwand betrieben habe. Auch bringen wir 2-3 mal Flüssigdünger mit der Spritze aus. Dies ist aber von aussen nicht so ohne weiteres zu erkennen und verleitet ebenfalls zu falschen Schlüssen, obwohl dieses als positiv zu bewerten ist, da die Pflanze mit kleinen Mengen Düngers bedarfsgerecht versorgt wird und die Gefahr der Auswaschung minimiert wird. Dass wir hierbei unter einem enormen Zeitdruck stehen, versteht sich von selbst. Aus diesem Grund benötigen wir auch ein gut ausgebautes Wegenetz, um schnell handlungsfähig zu sein.

Wenn Sie das nächste mal in der Natur unterwegs sind lassen Sie doch Ihren Großstadtfrust und Ihre Aggressionen zu Hause und geniessen Sie stattdessen die wunderbare Natur.

Wenn Sie weitere detailierte Informationen über die Landwirtschaft erhalten wollen schauen Sie doch mal bei http://www.ima-agrar.de/ vorbei. Unter dem Punkt "Landwirtschaft allgemein" finden Sie eine Menge interessanter Fragen und Antworten.

Ihr Max Stürzer jun.